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"Eine Entwicklung ist nie abgeschlossen" - Co-Trainer Fredrik Norrena im Interview

DONNERSTAG, 23. MAI 2024
Co-Trainer Fredrik Norrena (Foto: TPS Turku)

Seit Beginn dieser Woche ist klar, dass neben Manuel Kofler auch Fredrik Norrena unser Trainerteam verstärkt und Co-Trainer im Trainerteam von Chefcoach Kari Jalonen wird. Jalonen und Norrena eint nicht nur die finnische Staatsbürgerschaft, sondern auch mehrere Stationen, an denen die beiden bereits zusammengearbeitet haben – sogar als Teamkameraden standen beide Ende der 90er noch zusammen auf dem Eis. Wir haben Fredrik telefonisch in Turku erreicht und von ihm u.a. erfahren, wie er seine demnächst startende Aufgabe bei uns angeht, warum er Deutsch mehr als gut versteht und warum es ihm in seiner täglichen Arbeit hilft, dass er früher ein mitdenkender Torwart war.

Hallo Fredrik, vielen Dank für deine Zeit. Wo erwischen wir dich gerade?

„Aktuell befinde ich mich in Turku. In den vergangenen Wochen ging es dann doch schnell. Ich war die abgelaufenen drei Jahre Cheftrainer der U20 von TPS und in den letzten Wochen zusammen mit meinen Assistenten bereits dabei, das Team für die anstehende Saison durch off-ice training fit zu machen. Seitdem klar ist, dass ich für die Kölner Haie arbeiten werde, verschiebt sich die Arbeit und ich räume meinen Schreibtisch im TPS-Büro nach und nach. Mir ist es wichtig, dass die Übergabe in Turku gut läuft, schließlich habe ich sehr viele Jahre für den Verein gearbeitet.  Das gelingt aber gut.“

Wie konkret sehen denn deine kommenden Wochen aus?

„Kari, Manuel und ich haben hinter den Kulissen schon angefangen, zu arbeiten. Wir haben uns die Spiele der abgelaufenen Saison angeguckt, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das Team funktioniert. In den kommenden Wochen werde ich hier in Finnland zusammen mit Kari einiges planen und besprechen, damit wir dann die Arbeit mit Ankunft in Köln gut aufnehmen können.“

Reist ihr zeitgleich an?

„Unser Ziel ist es, dass wir am 10. Juni in Köln sein werden – ich bin sehr gespannt, was mich dort erwartet. Für mich ist das neu, aber ich blicke dem Ganzen mit Vorfreude entgegen. Ich werde in der Woche meiner Ankunft wahrscheinlich auch schon die ersten Spieler persönlich kennenlernen.“

Kari hat in einer Medienrunde mit den Kölner Journalisten gesagt, dass er sich vorab keine Informationen über die Haie eingeholt hat, um möglichst unvoreingenommen an alles Neue heranzugehen.

„Ich verstehe seinen Ansatz und denke, dass ich ähnlich ticke. Heutzutage ist die Welt durch Internet und Social Media natürlich etwas dynamischer und sozusagen kleiner – man bekommt mit, wie Dinge woanders funktionieren oder ablaufen. Zudem ist es so, dass wir einige Spieler auch kennen, da sie mal in Finnland oder Schweden gespielt haben. Am Ende ist es bei mir also eine Mischung – ich gehe unvoreingenommen an die Sache, habe aber trotzdem wichtige Infos, die uns in der Arbeit helfen werden. Mir geht’s als Co-Trainer darum, dem Cheftrainer und damit auch dem Team zu helfen.“

Du sprichst den Cheftrainer an – du kennst Kari schon sehr lange und hast nicht nur an seiner Seite gearbeitet, sondern warst sogar mit ihm auf dem Eis. Wie hast du Kari damals wahrgenommen?

„Als ich als junger Spieler meine ersten Profiminuten absolviert habe, war Kari eine Art Mentor für uns junge Spieler. Ihm war sehr daran gelegen, dass wir uns gut integrieren können, und hat sich bestens um uns gekümmert. Wir hatten eine sehr erfolgreiche Zeit zusammen. Nach der Zeit in Turku haben sich unsere Wege etwas getrennt, wir sind aber immer in Kontakt geblieben. Hatte ich eine Frage zu Eishockey-Themen, habe ich ihn angerufen, brauchte er einige Tipps im Bereich des Torwart-Spiels, klingelte mein Telefon. Wir haben uns nie aus den Augen verloren. Als ich meine ersten Schritte im Trainerbereich gegangen bin, hatte Kari immer ein offenes Ohr und mir wertvolle Tipps gegeben. Dadurch konnte ich mich gut entwickeln.“

Apropos Entwicklung – in den vergangenen drei Jahren warst du erfolgreich Cheftrainer der U20 von TPS. Liegt dir die Arbeit mit jüngeren Spielern besonders am Herzen?

„Das würde ich schon sagen, aber am Ende geht es immer – egal ob Jugend oder Veteran – um Entwicklung. Mir wurden in der Jugend und in den jüngeren Jahren von vielen Trainern Tipps gegeben und Vertrauen geschenkt, daher fühle ich mich den jüngeren Spielern gegenüber quasi verpflichtet, Selbiges zu tun. Wenn wir es schaffen, jeden einzelnen Spieler etwas weiterzuentwickeln, werden wir automatisch ein besseres Team – davon bin ich felsenfest überzeugt. Selbst in meinen letzten Jahren als Profi hatte ich für mich immer den Anspruch, jeden Tag und jede Saison dazuzulernen und besser zu werden. Eine Entwicklung ist nie abgeschlossen. Da geht’s nicht ums Alter, sondern um die Einstellung.“

Du warst in deiner aktiven Zeit ein sehr erfolgreicher Torwart. Es wird gesagt, dass Torhüter das Spiel gut von hinten beobachten können und müssen. Hilft dir das in deiner Tätigkeit als Trainer?

„Es gibt meiner Meinung nach zwei Arten von Torhütern.“

Jetzt sind wir gespannt.

„Zum einen gibt’s Torhüter, die sich nicht sonderlich für das Spiel interessieren, sondern einzig darauf fokussiert sind, den Puck zu fangen. Ich war aber nicht einer von dieser Sorte.“

Sondern?

„Mich hat immer interessiert, wie wir angreifen, wie wir verteidigen, in welchen Bereichen des Eises wir den Puck haben etc. – ich war sehr angetan von der Taktik und habe versucht, mich in Spielzüge und Gedanken der Gegner hineinzuversetzen, um mir als Torwart einen Vorteil zu verschaffen. Ich glaube, dass das eine Sache ist, die mir in meiner heutigen Funktion zugutekommt.“

Du bist aktuell in Finnland, aber während deiner 20-jährigen Profikarriere hast du in vielen verschiedenen Ländern gespielt. Welche wichtigen Erfahrungen hast du gemacht und welche Eigenschaften haben sich dadurch entwickelt?

„Als ich Finnland verlassen habe, wusste ich nicht wirklich, wie Eishockey woanders gespielt und gelebt wird – man hat ein bisschen das Gefühl, dass da eigentlich nichts anderes ist und Dinge nur nach einem gewissen Schema verlaufen. Als ich dann aber in anderen Ländern gespielt habe, wurde mir klar, dass man Dinge auch anders angehen und trotzdem erfolgreich sein kann. Die Schweden denken anders über Eishockey als die Finnen. Die US-Amerikaner haben eine andere Philosophie als die Schweden und die Deutschen interpretieren die Spielweise anders als die US-Amerikaner. Das hautnah zu erleben bzw. demnächst erleben zu dürfen, hat mir enorm geholfen und mich reifen lassen.“

Auch im Hinblick auf Sprachen?

„Meine Heimatsprache ist Schwedisch.“

Obwohl du Finne bist?

„Obwohl ich Finne bin. Fünf Prozent der Finnen wachsen mit Schwedisch als Muttersprache auf, ich bin einer davon. Daneben spreche ich Finnisch, Englisch und sogar ein bisschen Deutsch.“

Wie kommt’s?

„Ich hatte Deutsch fünf Jahre in der Schule. Wenn ich Deutsch lese, verstehe ich eine Menge, das Sprechen fällt mir nach all den Jahren etwas schwer, aber das kommt hoffentlich wieder, sobald ich in Köln bin und dort meinen ersten Einkauf erledige.“

Das bringt uns zu einer schönen letzten Frage: Was erwartest du von deiner Zeit bei uns?

„Ich freue mich sehr, ab sofort Teil der Haie zu sein und sehe das als große Möglichkeit, für die ich sehr dankbar bin. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass die Haie erfolgreich sind und sich nach und nach zu einem Top-Club entwickeln – das Potenzial ist meiner Meinung nach vorhanden. In Finnland und Schweden und generell in Eishockey-Europa kennt man die Kölner Haie, wir wissen hier um den kürzlich aufgestellten Zuschauerrekord in Europa. Ich hatte das Glück, in meiner Karriere in vielen erfolgreichen Teams zu spielen. Ich denke gerne an die Erfolge und die Statistiken zurück, aber was für mich über allem steht, sind die Beziehungen, die sich über die Jahre aufbauen. Über die Jahre sind durch das Eishockey Freundschaften und Beziehungen fürs Leben geworden – ich bin mir sicher, dass ich auch in Köln Leute treffen werde, mit denen ich in 20 Jahren ein Kölsch trinken kann.“