Zum Inhalt springen

Eishockey unter tropischer Sonne

MITTWOCH, 22. JUNI 2005

von Ivo Jaschick


Gleißende Sonne, große Hitze, sandige Strände garniert mit Liegestühlen und Sonnenschirmen, türkisfarbenes, warmes Wasser, Korallenriffe mit vielen bunten Fischen (ein Eldorado für Taucher) – Urlauberherz was willst du mehr! Dies sind alles Assoziationen, welche man mit den Cayman Islands in der Karibik in Verbindung bringt – wer käme bei solchen Gedankenspielen je auf Eishockey. Auf den Cayman Islands kennt man Eis doch nur aus dem Gefrierfach oder den Würfeln in den Cocktails! Doch da täuscht man sich gewaltig.


Rund 1/4 der Bevölkerung dieser englischen Kronkolonie (ca. 40 000) ist kanadischer Herkunft. Als 1794 zehn britische Schiffe vor der Ostküste auf ein Riff aufliefen und untergingen, retteten die Inselbewohner alle Besatzungsmitglieder (wahrscheinlich war mindestens ein Mitglied der Königsfamilie an Board) und erhielten so vom englischen Herrscher „King Georges III“ auf Ewig Steuer- und Wehrpflichtbefreiung verliehen. Dieses Natur- und Steuerparadies lockte dann auch die vier eishockeyerfahrenen Kanadier Marty Goschl, Norm Klein, Bill Messer und Joe Stasiuk, die mittlerweile echte „Caymanians“ sind. Von den gebürtigen Caymanians wiederum werden sie als „Ex-Patriots“ bezeichnet. Alle Vier haben eine gemeinsame Vergangenheit: sie gingen in ihrer Kindheit/Jugend dem kanadischen Volkssport #1, dem Eishockeyspiel, mehr oder weniger erfolgreich, nach. Es war natürlich für ihre Freizeitaktivitäten ein großer Verlust als sie in die Karibik auswanderten, da Eis dort nur als Kühlmittel bekannt war. Notgedrungen mussten sie also auf die rutschige Unterfläche verzichten, doch „ihrem“ Sport wollten sie nicht ganz entsagen und schlossen sich dem organisierten Street- oder Ballhockey an. Indes, man kann es verstehen, der Traum vom „Eis“hockey blieb bestehen.


Der 43-jährige Bill Messer, geboren in Tisdale, Saskatchewan und seit 14 Jahren auf der Grand Cayman Insel ohne Eishockey lebend, kam auf die glorreiche, für viele jedoch sehr abwegige, Idee an einem Pond Hockey Turnier in New Brunswick, Kanada, teilzunehmen. Mit seinem Einfall, das Cayman Breakaway Ice Hockey Team zu gründen, stieß er bei seinen drei ebenfalls aus Kanada stammenden Freunden auf große Gegenliebe. Norm Klein, vor 42 Jahren in North Bay, Ontario, zur Welt gekommen und jetzt seit 11 Jahren auf den Caymans, ist dort als Anwalt tätig, sagte sofort zu. Der künftige NHL Hall of Famer Ron Francis (Toronto Maple Leafs) spielte im frühen Alter neben ihm. Auch Marty Goschl, der vor 19 Jahren seiner Heimatstadt Oshawa in Ontario den Rücken kehrte und nun eine Gartenbaufirma leitet, war Feuer und Flamme. In seiner aktiven Zeit spielte er in der Region von Newcastle-Cobourg Minor Hockey. Der vierte im Bunde ist Joe Stasiuk, den es „erst“ vor acht Jahren nach Grand Cayman trieb. Auch er brauchte keine Sekunde Bedenkzeit. Noch in seiner Jugend war der gelernte Center Joe Stasiuk  in diversen All-Star-Spielen mit vielen bekannten Spielern (z.B. Charlie Huddy – von ´80-´97 bestritt der Verteidiger 1017 NHL Spiele & Ed Hospodar – von ´79-´88 absolvierte er 450 NHL Partien) aufgelaufen.


Bei einem solchen All-Star-Event kam der Center auch in den Genuss gegen den wohl besten Kufenathleten aller Zeiten, gegen Wayne Gretzky (von `79-´99 lief er in 1695 Matches auf und erzielte dabei sagenhafte 3239 Punkte; 1016 T; 2223 V), spielen zu können. Als der Kanadier aus beruflichen Gründen nach Australien musste, spielte er in der dortigen Nationalmannschaft. Danach kam Peking in China an die Reihe, wo er in seiner Freizeit mit vielen russischen Diplomaten dem schnellsten Mannschaftssport nachging. Die Familie muss wahrscheinlich ein Eishockey-Gen im Körper beherbergen, da schon sein Onkel Vic Stasiuk als Linksaußen 740 Spiele in der besten Liga der Welt absolvierte und dabei mit den Detroit Red Wings drei Stanley Cup Trophäen errang.


Die Nationalmannschaft der Cayman Inseln gewann 2 von 5 Spielen und so wurde ganz knapp die Finalrunde verfehlt. Doch den „Beach Boys“ wurde große Anerkennung gezollt und ein Team aus Boston gewann dieses Pond Hockey Turnier. Während meines Aufenthaltes im wunderschönen „The Reef“ Resort an der Ostküste dieses Paradieses – es leidet aber immer noch unter den zerstörerischen Folgen des Hurricans Ivan (11./12.09.04) –  hatte ich die Gelegenheit, mich mit dem Weltenbummler über das Unternehmen „Eishockey“ zu unterhalten:


Mister Stasiuk, wie kamen Sie zu den „Cayman Breakaways“ und nach New Brunswick?


Wir spielen hier auf den Cayman Islands, wie auch auf anderen Inseln in der Karibik sogenanntes Street- oder Ballhockey in dem King`s Sports Center. Wir haben mittlerweile 120 Akteure, die verschiedenster Herkunft sind: Amerikaner, Südafrikaner, Engländer, Australier, Einheimische und natürlich Kanadier. Es gibt zwei gravierende Unterschiede zum Eishockey. Zum 1. gibt es kein Eis und 2. tragen wir normale Turnschuhe. Eis kennen die Einheimischen sowieso meist nur aus den Erfrischungsgetränken und deswegen wurden wir von den gebürtigen Caymanians, um es nett aus zu drücken, etwas sehr komisch angeguckt, als wir mit der Idee kamen, auf einem Eishockeyturnier die Farben der Cayman Inseln zu vertreten. Bill Messer hatte in einer Zeitschrift von einem Pond Hockey Turnier in New Brunswick, Kanada, gelesen und wir vier waren direkt mehr als begeistert. Die lange Eisabstinenz aller (19, 14, 11 & 8 Jahre) machte es notwendig, dass wir wieder trainieren mussten um in Form zu kommen. Die „Cayman Airlines“ müssen hierbei besonders erwähnt werden, da sie uns einige Flüge nach Tampa gesponsort hat, damit wir wieder ein Gefühl für Eis unter den Kufen bekamen. Da „Cayman Airlines“ jetzt auch Direktflüge nach Chicago und Boston anbietet stehen uns da einige Türen offen. Dann machten sich auch meine Kontakte zu dem bis dahin meist nur im Schwimmsport bekannten Sportartikelhersteller „Speedo“ bezahlt, die ich als Präsident der Entwicklung des Sports auf den Cayman Islands hatte. Sie haben uns ausgerüstet, mit allem was wir benötigten – und jetzt sind sie auch im Wintersport tätig. Nicht zu vergessen ist das hiesige Fremdenverkehrsamt, sowie Tortuga, bekanntester Rum & Rumkuchenhersteller der Cayman Inseln. Nach ein paar Trainingseinheiten hatten wir unser „Kampfgewicht“ wieder erreicht und fühlten uns fit. Auf ging`s nach New Brunswick. Es war zuerst ein kleiner Schock, da wir aus +20 Grad Celsius in -20 Grad Kälte kamen – aber wir waren ja gut ausgerüstet. Auf einem zugefrorenen See waren 24 Spielflächen installiert und bei der Begrüßungszeremonie hatten wir Caymanians die Ehre alle 96 Teams anzuführen. Pond Hockey ist ein offensives Spiel, ohne Torwart und Bande. Geschossen werden darf nur aus der gegnerischen Hälfte. Am ersten Tag sah es sehr gut aus, hatten wir doch 18:12 und 29:2 gewonnen (als Trost gab es für die Unterlegenen Kleinigkeiten von Tortuga) und alle waren begeistert von uns „Beach Boys“ – wie wir liebevoll genannt wurden. Der zweite Tag endete mit 3 Niederlagen, so dass wir uns nicht für das Finale qualifizieren konnten. Ein Sieg hatte gefehlt – nun hatten wir eigentlich den Rum unseres Sponsors nötig. Jedoch die Cayman Islands waren in aller Munde und wir haben als „Botschafter“ unsere Inseln für den ersten Pond Hockey Auftritt gut vertreten, auch dank des großen Engagements unserer Sponsoren.


Wie sehen Ihre Trainingsmöglichkeiten und Zukunftspläne aus?


Wie gesagt, wir spielen hier in einer Liga Ballhockey und haben auch eine neue Arena in einem Sportkomplex gebaut – doch leider besteht nicht die Möglichkeit der Eisbereitung. Deswegen müssen wir zum Trainieren unserer schlittschuhläuferischen Fähigkeiten auf die Flugzeuge unseres Sponsors „Cayman Airline“ zurückkommen, die uns zu den Eishallen Nordamerikas bringen. Denn im kommenden Jahr wollen wir unsere Inseln wieder – aber erfolgreicher – auf dem See in Plaster Rocket vertreten.


Mein niemals endender Traum ist aber immer noch eine Eisfläche auf Grand Cayman – vielleicht nicht heute oder morgen, aber in 20 Jahren!!!


Von meinen Zukunftsvisionen zurück zur Gegenwart: Ende des Monats, vom 28.-30.04, findet hier auf Grand Cayman ein großes Street & Ball Hockey Turnier um den Caribean Cup statt. Teams von den Bahamas, den Bermudas, Barbados, den Turks & Caicos und uns, dem Gastgeber, werden ihr Letztes geben, um aus diesem Turnier als Sieger hervorzugehen.


Mitte Juni werden wir in Pittsburgh bei der Weltmeisterschaft im Street & Ball Hockey unsere Visitenkarte abgeben. 2007 werden wir nach Deutschland kommen, da dann in Düsseldorf die WM stattfindet (www.isbhf.com).